HD Musik
HD, 2xHD und trotzdem kein HD. High Res Audio: Dichtung und Wahrheit (Teil 1)
High-Res-Audio oder High-Definition-Audio wäre eigentlich eine klare, unmissverständliche Sache. Ein Ensemble oder Band spielt im Aufnahmeraum. Das Klangeschehen wird von den Mikrofonen erfasst und in einem HD-Format mit 96kHz Sampling Frequenz (speicherbarer Frequenzumfang) und 24Bit Wortlänge (speicherbarer Dynamikumfang) gespeichert. Alle im Prozess eingesetzten Geräte und Programme erfüllen die technischen Werte für High Res Audio. Die Nachbearbeitung (Mastering) erfolgt ebenfalls im 24/96 Format. Das Endprodukt wird als 96/24 HD-Download oder durch Umrechnung ins 16Bit/44.1kHz Format als CD angeboten. Der Download ist High Res Audio, die CD ist definitionsgemäss Standard Audio. Punkt.
Doch so einfach, wie oben dargestellt, ist das Thema nicht. Betrachten wir die Realität anhand von einigen ausgesuchten Alben. Die Titel eines im Online-Musikshop angebotenen Albums können in MP3 Qualität vorgehört werden (meistens 256kbs oder 320kbs). Neben den Albuminformationen werden auch die verfügbaren Downloadformate und Preise gelistet. Ob die Aufnahme wirklich gut klingt und ob das Album HD-Audio Kriterien erfüllt, hören wir frühestens bei der Wiedergabe über eine High-End-Anlage. Und auch dann können wir nicht sicher sein, ob die High-Res Standards erfüllt sind. Das Ganze wäre weniger kritisch, wenn nicht für die HD-Versionen eines Albums teilweise markante Aufpreise verlangt würden. Je höher die Sampligrate desto höher der Preis. Diese Mehrkosten sind nicht immer gerechtfertigt. Mythen und Produkt Lobpreisungen, die teilweise aus technischer Sicht blanker Unsinn sind, helfen auch zweifelhafte Aufnahmen zu höheren Preisen zu verkaufen. Dies zum Schaden wirklicher High Res Aufnahmen, denn unseriöse Anbieter bringen die Branche in Verruf, verunsichern die Endkunden.
Wie erkennt man, ob die HD-Version den Mehrpreis wert ist?
Anhand welcher Kriterien kann vor dem Kauf die richtige Auswahl getroffen werden? Lassen Sie mich die Fragen mit Hilfe einiger Beispiele beantworten. HD-Alben lassen sich in folgende Kategorien einteilen:
A) Echte, native HD Aufnahmen
B) HD-Minus
Subkategorien:
C) HD-Transfer
D) HD-Remaster
E) HD-Bluff
Die Kategorien A und D sind relativ einfach zu erkennen, dazu mehr im nächsten Blog. Beginnen wir mit den nicht so offensichtlichen Fällen.
Als Beispiel für HD-Minus nehmen wir Berloz‘ Symphonie fantastique des Labels 2xHD. Donnerwetter, da muss was dahinter sein, wenn man den Anspruch erhebt doppelt so gut zu sein, wie die anderen HD-Anbieter und das auch auf der Website prominent für sich in Anspruch nimmt. Hier die 2xHD Werbebotschaft:
“2xHD THE MOST MUSICAL HIGH RESOLUTION STANDARD AVAILABLE. This superior download platform is able to deliver high resolution music, through Cloud-based distribution. HD downloads, using Direct Stream Digital (DSD and DSD 2) or Digital eXtreme Definition (DXD) deliver a total natural sound. It is the new method for selling quality music reproduction on-line.
With this ‘back-to-the-future’ technology, music can now be downloaded without using compression. The resulting higher fidelity (40% better than CD), not only retains the warmth and depth of the original recording, it carries a new transparency to the higher register so that each instrument can be heard with brilliant clarity even at a lower listening level. One can hear studio quality reproduction in one’s own living room.” Quelle: http://www.2xhd.com/technology.html
Da wird eine Zurück in die Zukunft Technologie angepriesen, welche eine um 40% bessere Klangqualität als die CD liefert. Weiter wird versprochen, dass die Wärme und Tiefe, der Original Aufnahme erhalten bleiben, eine neue Transparenz in den oberen Registern geboten werde und man die Studio Qualität im eigenen Wohnzimmer hören kann. Was steckt hinter dem 2xHD Prozess, der am Ende nur zu HD-Minus führt? Auf der 2xHD Website werden die Produktionsschritte nicht im Detail erläutert, dafür aber im Booklet der 2xHD Alben. Das Label legt die Produktionsmethode offen und ist auch offensichtlich überzeugt, so bessere Resultate zu erzielen = näher am Originalklang zu sein.
Bild 1: “The process begins with a transfer to analog from the original 24bits/96kHz, or 88.2 kHz resolution master, using cutting edge D/A converters. The analog signal is then sent through a hi-end tube pre-amplifier and (if needed) will be EQ’d before being recorded directly in DXD using the dCS905 A/D and the dCS Vivaldi Clock. All connections used in the process are made of OCC silver cable. DSD and 192kHz/24Bit versions are separately generated, directly from the analog signal.” Quelle: Booklet 2xHD, Berlioz, Symphonie fantastique. Grösser: auf Bild klicken.
Da wird also eine digitale Aufnahme in die analoge Domäne konvertiert, bearbeitet und wieder digitalisiert in unterschiedlichsten HD-Formaten angeboten. Analysieren und vergleichen wir die Original Aufnahme und die 2xHD Version miteinander:
Bild2: Frequenzsektrum der Original Naxos 24/96 Aufnahme. Berlioz: Symphonie fantastique, Op. 14: IV. Marche au Supplice: Allegretto non troppo. Die Ultraschallanteile reichen bis knapp über 40kHz. Das klare Spektrum ohne Rauschanteile ist typisch für eine 24/96 PCM Einspielung. Die hohen Energieanteile im tieffrequenten Bereich sind orange und rot. Zu höheren Frequenzen hin nimmt die Schallenergie kontinuierlich ab. Je schwächer die violetten Anteile sind, desto geringer ist die Energie. Im Ultraschallbereich oberhalb von 20kHz liegt diese meist unter 1% der Energie des Grundtones. Das Bild zeigt die spektrale Energieverteilung des ganzen Satzes – Zeitachse von links nach rechts. Grösser: auf Bild klicken.
Bild3: Das Frequenzspektrum der 2xHD Bearbeitung bleibt knapp unter 40kHz. Grösser: auf Bild klicken.
Bild 4: Frequenzanalyse (FFT). Grün = Naxos 24/96 Original, Rot = 2xHD Version. Die Nachbearbeitung zeigt deutliche Abweichungen zum Original. Das Spektrum ist im oberen Frequenzbereich um bis zu 6dB angehoben. Grösser: auf Bild klicken.
Bild 5: Hüllkurve. Grün = Naxos 24/96 Original, Rot = 2xHD Version. Der Signalpegel der 2xHD Nachbearbeitung ist 0.63 dB höher, d.h. die 2xHD Aufnahme ist leicht lauter. Da identische Pegel für einen korrekten Vergleich unabdingbar sind, wurde dieser bei der Naxos 24/96 Pegel entsprechend angehoben. Die rote 2xHD Kurve weicht immer wieder vom Original ab, vor allem in Bezug auf Pegel und Phasenlage. Grösser: auf Bild klicken.
Bild 6: Phasenlage – Polardiagramm rechte Bildhälfte. Weiss = Naxos 24/96 Original, Rot = 2xHD Version. Die Phasenlage der beiden linken Kanäle wurde exakt zum gleichen Zeitpunkt gemessen (1:45:321 – siehe Hüllkurve im linken Bildteil, Grün = Naxos 24/96, Rot = 2xHD). Phasenverschiebungen sind Fehler im Zeitbereich. Die 2xHD hat erhebliche Phasenfehler. Grösser: auf Bild klicken.
Bilder 6 und 7: Audioanalyse, 2xHD oben. Messung von Pegel und Dynamikbereich. Die 2xHD Nachbearbeitung weist einen um 0.63 DB höheren Pegel auf und einen leicht geringeren Dynamikbereich (DR15). Grösser: auf Bild klicken.
Die Messungen zeigen deutlich: die Nachbearbeitung weicht sichtbar von der Originalaufnahme ab. Somit wurden dem Original Signalanteile hinzugefügt oder Signalanteile entfernt und auf der Zeitachse treten Phasenverschiebungen auf. Wie macht sich das Ganze nun gehörmässig bemerkbar?
Wie werden diese Fehler wahrgenommen: der Höreindruck
Damit die Adobe Audition Analyse die Hörbeurteilung nicht beeinflusst (self biasing), habe ich beide Versionen als erstes intensiv gehört. Nur die Pegelmessung (Bilder 6 und 7) wurde vorab gemacht und die Abhörlautstärke beim Titelwechsel jeweils um 0.5dB am Vorverstärker (CP-800) korrigiert. Die 2xHD Aufnahme hat weniger Prägnanz gegenüber dem 24/96 Original. Die Blechbläser verlieren spürbar an Strahlkraft und Brillanz, die Fagottstimme an Knurrigkeit. Das Klangbild wirkt insgesamt weicher, die Abbildung der Instrumente ist weniger präzise, die Positionierung diffuser. Auch die Raumabbildung leidet. Der Raum zwischen den Instrumenten wirkt reduziert, was als Folge der breiteren Abbildung der Instrumente angesehen werden kann. Das Fell der Pauke am Satzbeginn scheint im ersten Eindruck schöner nachzuschwingen. Beim mehrmaligen Vergleich mit dem Original, entpuppt sich diese Wahrnehmung aber eher als Schmiereffekt.
Schlussfolgerung aus Messungen und Höreindruck: 2xHD hält nicht was das Label anpreist. Besonders die Aussage von mehr Raum und Präzision kann nicht bestätigt werden. Im Gegenteil. Die 2xHD Version ist nicht besser, sie ist schlechter als das Original, wenn auch minim. Daher das Verdikt: HD Minus. Das Resultat kann nicht wirklich überraschen. All diese Konvertierungen und das Durchschlaufen des Signals durch analoge, teilweise mit Röhren bestückten Geräten kann keine Verbesserung des Originals bringen. Vielmehr werden dem Signal Verfärbungen beigemischt. Wenn die 2xHD Macher das Resultat als besser empfinden, dann suchen sie primär den Klang der analogen Wiedergabetechnik und nicht den Originalklang der im Aufnahmeraum vorherrschte.
Weniger Qualität zum höheren Preis
Die Preise für die verschiedenen HD Downloads.
Quelle Preis
Naxos Original PrestoClassical.co.uk 12.50 CHF
Naxos Original Classiconlinehd.com 11.99 USD
2xHD Qobuz.com 23.99 CHF
2xHD Hdtracks.de 29.00 € (384/24)
2xHD Hdtracks.de 20.00 € (192/24)
Teilweise happige Aufpreise. Und wieder finden wir in der Anpreisung die nichts sagende Worthülse musikalisch, bei 2xHD sogar in der Steigerung als am „meisten musikalisch“. Unter musikalisch kann sich jeder Vorstellen was er will, ein völlig subjektiver, unpräziser Begriff, mit einem für Andere nicht reproduzierbaren Inhalt. Ebenso das Aufblasen der Dateien auf 192kHz und 384kHz ist mehr als fragwürdig – um es höflich zu formulieren. Wir haben gesehen, dass oberhalb von 40kHz keine Signalanteile mehr vorhanden sind. Mit 96kHz Samplingfrequenz lassen sich Frequenzen bis 48kHz aufzeichnen. 192kHz und 384kHz Dateien übertragen keine Mehrinformationen, nur mehr Nullen. Wer bei 192kHz und höher das Filter Thema als Argument für eine noch höhere Samplingfrequenz anbringt aber gleichzeitig Röhrentechnik in den Signalweg einbringt, ignoriert vollständig die Grössenordnung der induzierten Fehler, die bei der Röhre um das Hundertfache grösser sind.
Fazit: Die original Naxos 24/96 Aufnahme ist näher am Original als die teurere 2xHD Variante. Auch wer Röhrensound und Vintage Audio liebt und bevorzugt, kann sich die CHF 12.50 Variante runterladen. Der Röhrenverstärker in der Kette sorgt dann für das gewünschte Klangbild.
Allgemein: Zur HD Minus Kategorie zählen HD Aufnahmen, die während des Mastering Prozesses analoge Komponenten einbinden. Dies kann beispielsweise über den 2xHD Prozess, die CLASP Technik (siehe Blog „Tracker: digitale Analog-Aufnahme“) oder über digitale Zusatzprogramme für digitale Audio Workstations (siehe Blog „Wie man bessere Klangqualität einem mythischen Sound opfert“) realisiert werden. Die analogen Komponenten fügen dem Signal die typischen Artefakte (Fehler) der analogen Audiotechnik zu. Grundsätzlich wird die Signalqualität damit negativ beeinflusst. Dies geschieht aber in der Absicht einen bestimmten Klangcharakter zu kreieren, an den man sich aus den rein analogen Tagen gewöhnt hat. Diese Vorgehensweise ist vor allem im Pop Genre sehr beliebt. Wird bei Klassik- und Jazz-Produktionen aber eher selten angewendet. HD Minus Aufnahmen können hervorragend klingen, sie nutzen allerdings nicht das volle HD Klangpotential aus.
Hinweis: das Label 2xHD verwendet auch analoge Masterbänder als Quellmaterial.
HD Transfer, HD Remaster. High Res Audio: Dichtung und Wahrheit (Teil 2)
Die Mehrheit der angebotenen High Res Alben wurden nicht in einem High Res Format aufgenommen – vor allem im Pop Genre. Es sind somit keine echten High Res Alben, sie wurden lediglich in einen High Res Container gepackt. Auch Überspielungen von analogen Master Bändern erfüllen die im ersten Teil zu diesem Thema definierten Kriterien für HD-Audio nicht (hier der Link zum ersten Teil „HD, 2xHD und trotzdem kein HD“). Ein analoges Master Band kann klanglich auf sehr hohem Niveau sein, erfüllt aber in Bezug auf Dynamikumfang, Kanaltrennung, Linearität und Phasenstabilität die High Res Kriterien bei weitem nicht. Auch nicht den Red Book CD Standard. Ich spreche hier von Klangpräzision nicht von Klangpräferenz. Es kann trotzdem sinnvoll sein, die vom Zerfall bedrohten Masterbänder und Originalaufnahmen in einem High Res Format zu digitalisieren um wertvolle Aufnahmen zu erhalten. Die moderne Digital Audio Technik kann das analoge Material restaurieren und Unzulänglichkeiten der damaligen Aufnahmetechnik bis zu einem gewissen Grad ausmerzen. Zurzeit gelangen immer mehr dieser Alben im High Res Format auf den Markt. Lohnt es sich ein Album, welches man schon als CD oder LP besitzt, nochmals als HD-Ausgabe zu kaufen? Ja und Nein!
HD-Transfer und HD-Remaster: von grauenvoll bis hervorragend
Man muss jede Neuausgabe im HD-Format kritisch beurteilen. Nachfolgend einige Beispiele – gute und schlechte – die helfen das Thema zu verstehen. Diese Beispiele sollen als Orientierungs- Entscheidungshilfe dienen.
HD Transfers sind Überspeilungen von analogen Bändern (d.h. analoge Aufnahmen) in die digitale Domäne. Die Konvertierung in ein HD-Format von 88.2kHz/96kHz – 24Bit ist sinnvoll. Diese Formate verfügen über genügend Frequenz- und Dynamikumfang um den nötigen Freiraum für die Nachbearbeitung zu gewährleisten. Das oft gehörte Argument, man müsse ein analoges Signal mit einer möglichst hohen Samplingfrequenz abtasten (96kHz, 192kHz, 384kHz), damit die analoge Wellenform möglichst genau gespeichert werden kann, ist falsch (Hintergrundinformationen zu diesem Aspekt finden Sie hier Blog Digital Basics). Massgebende Kriterien sind Dynamikumfang (dB/Bit) und Frequenzumfang (Hz/Samplingfrequenz in kHz) der Originalaufnahme und des Zielformates.
Nicht jeder HD-Transfer mit nachfolgender Nachbearbeitung, sei es nun Restauration oder Remastering, kann als gelungen bezeichnet werden. Dies hängt nicht zuletzt auch von der Qualität des Quellmaterials ab. Ein analoges Masterband ist mindestens die dritte Bandgeneration, denn kein Tonmeister riskiert es mit dem Originalband zu arbeiten. Mit jeder Bandkopie gehen 3dB Dynamikumfang verloren, nehmen Verzerrungskomponenten zu. Ebenso unterscheidet sich eine Aufnahme aus den späten 50er und frühen 60er Jahren erheblich von dem was und wie im Jahrzehnt vor und nach der Einführung der CD in den Aufnahmestudios produziert wurde. Paul Simons Alben eignen sich sehr gut um diesen Epochenaspekt zu beleuchten.
A) Sounds of Silence
Das Folk-Rock Album „Sounds of Silence“ von Simon und Garfunkel erschein 1966. Es ist als SD (Standard Definition) und HD Version bei diversen Anbietern erhältlich. Hier die Spektralanalyse der SD Version des Titels „April Come She Will“:
Bild 1: Der Track 9 „April Come She Will“ ist ein ruhiger Titel mit akustischer Gitarre und Gesang (CD Release von 1992). Das Frequenzspektrum der analogen Aufnahme reicht knapp über 20kHz. Oberhalb von 18kHz werden die schwachen Signalanteile zunehmend von Bandrauschen überdeckt.
Bild 2: Track 9 „April Come She Will“ Frequenzspektrum der HD-Version von 2014 (24/96). Das Rauschen endet abrupt bei 22kHz. Die HD Version ist offensichtlich nur eine CD in einer grösseren Verpackung. Oberhalb von 22kHz ist nichts! Nur Nullen auf der Festplatte.
Klingt nun die HD Version trotzdem besser – oder nur anders? Ja, es klingt anders, aber nur weil der Pegel der HD Version gegenüber der SD Version um knapp 3 dB lauter ist. Zudem ist die Dynamik komprimiert SD = DR12, HD = DR10. Korrigiert man den SD Pegel um 3 dB bei der Wiedergabe schmelzen die Unterschiede dahin.
Bilder 3 und 4: SD oben, HD unten.
Die Dynamikkompression und die Pegelanhebung der HD Version ist auch in Adobe Audition deutlich an der Hüllkurve erkennbar:
Bild 5: Die Hüllkurve von „April Come She Will“ stellt die Messungen der Bilder 3 und 4 grafisch dar.
Fazit: die HD Version von „Sounds of Silence“ gehört in die Kategorie HD Bluff – es wird mit plumpen Tricks gearbeitet. Die Klangunterschiede stammen von einfachen Signalmanipulationen. Die Quelle für die HD Version ist offensichtlich ein digitaler Master und nicht das analoge Masterband aus dem Jahre 1966. Vermutlich ist dieses nicht mehr spielbar oder war nicht verfügbar. Die Dynamikkompression lässt das Musikstück druckvoller erscheinen, raubt ihm aber feine Details. Der Hauptgrund von High Definition bei Ton und Bild ist die Wiedergabe von feinen Details. Insofern ist die HD Version von „Sounds of Silence“ eine Farce: diese Version hat weniger Details. Bei HD Tracks ist das Album für USD 24.98 ausschliesslich im „audiophilen 192kHz Format“ erhältlich. Die SD Version gibt’s bei Qobuz zum halben Preis. Wenn wir aber wissen, dass oberhalb von 22kHz nichts vorhanden ist, ist der Mehrpreis für die HD Version nicht gerechtfertigt, ein Neukauf sinnlos.
B) Graceland
Paul Simons Album Graceland stammt aus dem Jahre 1986. Es vereint westliche Folk- und Popmusik mit afrikanischer Musik und wurde zusammen mit Musikern aus Afrika aufgenommen. Das erfolgreiche Album wurde weltweit über 14 Millionen verkauft. Das mit zwei Grammy-Awards ausgezeichnete Werk ist das erfolgreichste Soloalbum von Paul Simon.
Als Vergleich zwischen der SD und HD Version (24/96) des Albums wurde die CD aus dem Jahr der Veröffentlichung und die HD Version der 25th Anniversary Edition“ verwendet. Vorab: Hände weg von jeder Version dieser Jubiläumsausgabe. Ich habe die Alben für die High Res Blog Serie mehr oder weniger zufällig ausgewählt. Die technische Analyse erfolgte nach der Auswahl. Die Resultate sind somit nicht gesucht, sondern sind das Abbild einer zufälligen Stichprobe.
Die pseudo HD Version ist satte 8.63 dB lauter als die SD Version (CD) aus dem Jahr 1986. Die extreme Dynamikkompression verfälscht das Musiksignal massiv. Der DR Wert sinkt von hervorragenden DR16 auf DR8 runter. Im Weiteren war eine 16Bit/44.1kHz Version der Ausgangspunkt für die Nachbearbeitung. Die Spektralanalyse verdeutlicht:
Bild 6: Track „ Diamonds on the Soles of Her Shoes”, Album “Graceland “25th Anniversary Edition”. Die klare Abrisskante bei 22.05 kHz belegt die CD-Herkunft. Die Ultraschallanteile oberhalb von 22kHz wurden dazugerechnet, sind künstlich erzeugt (24/96 HD Remaster von 2012).
Bild 7: Die massive Dynamikkompression ist ein Tribut an die Anforderungen des Massenmarktes und bedeutet eine massive Klangverschlechterung. Das Ganze dann noch in einen HD Container zu packen ist sinnlos. Der „HD-Remaster“ nutzt nicht einmal den Dynamikumfang einer Compact Cassette.
Fazit: Ein kaputt bearbeitetes Album, das als teures Qualitätsprodukt angepriesen wird. Punkt – mehr gibt es dazu nicht zu sagen. (Mehr Infos zum Thema Dynamikkompression finden Sie im Blog „Verstümmelte Musik: wie Dynamikkompression und Datenreduktion die Musik verändern“ Link)
C) The Rhythm of the Saints
Das dritte Album der Paul Simon Reihe ist „The Rhythm of the Saints“ aus dem Jahr 1990, der HD-Remaster ist von 2011 (24/96). Vorab: diese Neuauflage macht eher Sinn. Schauen wir uns vorweg die technische Analyse an.
Bild 8: Die HD Version von 2011 weist auch hier keine Frequenzanteile oberhalb von 22.05kHz auf. Somit hat die Quelle SD‑, respektive CD-Auflösung. Der mittlere Pegel der HD-Version ist 1.5 dB lauter, der Dynamikumfang DR10 (SD = DR13) ist geringer.
Bild 9: Intro Track „Coast“ bei 15 Sekunden Spielzeit, Einsatz Gitarre. Die Kanäle der HD Version (rot) sind gegenüber der SD Version von 1990 (grün) invertiert, was aber kein wirkliches Problem ist. Gut erkennbar ist die Pegelanhebung bei der HD Version (Differenz Spitzenpegel SD = ‑16dB, HD = ‑13.5dB).
„The Rhythm of the Saints“ kann zu den besseren Remasters gezählt werden. Die Bearbeitung hebt einzelne Klangspektren und Instrumente hervor. Die Gitarrensaiten klingen deutlicher, haben mehr Prägnanz. Die hohen Perkussionsstimmen neigen in der SD Version im Gesamtklang unterzugehen. Die HD Version bring hier eine bessere Klangbalance trotz geringerer Gesamtdynamik. Nur High Definition Audio ist die HD Version dieses Albums nicht. Als Remastering Arbeitsplattform bietet sich das 24Bit/96 kHz Format an. Der grössere Arbeitsraum ermöglicht die Arbeiten genau und mit einer grossen Sicherheitsmarge auszuführen. Auch die anschliessende Distribution in diesem Format geht in Ordnung, denn ein generelles runterrechnen auf 16Bit/44.1kHz kann zu Rundungsfehlern und Quantisierungsverzerrungen führen, wenn kein Dither hinzugefügt wird. Die Frage bleibt, ob es dann gerechtfertigt ist eine Preisdifferenz zwischen der SD und HD Version des Remasters zu machen. Ich meine nicht. Spitzfindig gesagt, müsste die SD Version teurer sein, denn diese Version erfordert einen Arbeitsschritt mehr.
Fazit: Zusammenfassend für die ganze Kategories dieser HD-Remasters gilt: die Klangunterschiede stammen nicht von der höheren Auflösung des HD Formates, sondern durch Veränderung der inneren Struktur der originalen SD Aufnahmen. Ob das Resultat überzeugt, respektive ein Klangvorteil bringt, hängt von der Arbeitsqualität des Toningenieurs ab und den kommerziellen Vorstellungen des Produzenten.
Noch älter! Wird’s dann besser oder noch schlechter?
Als letzten Punkt für heute schauen wir uns eine der markantesten Alben der jüngeren Musikgeschichte an: Harry Belafontes „Belafonte Live at Carnegie Hall“. Die Aufnahme von Bob Simpson entstand anlässlich von zwei Benefiz Konzerten im April 1959 live in der Carnegie Hall, New York. Das Doppelalbum ist ein Dauerbrenner über all die Jahrzehnte des Tonträgerverkaufs. Es überrascht daher nicht, dass auch hier eine HD-Version auf dem Markt erhältlich ist.
D) Belafonte Live at Carnagie Hall
Wir betrachten zwei Stücke aus diesem Doppelalbum: „Sylvie“ und „Cotton Fileds“. Die in diesen Artikel verwendete SD Version ist die CD Veröffentlichung von 1993.
Dieser HD Transfer (24/96) ist gelungen. Offensichtlich wurde nicht einfach der CD Master von 1993 bearbeitet, wie wir dies bei Paul Simons Alben gesehen haben, sondern auf ein analoges Master zurückgegriffen. Auf welches liess sich nicht eruieren. Betrachten wir die Frequenzspektren der HD Ausgabe:
Bild 10: „Sylvie“ Das Frequenzspektrum reicht deutlich bis 25kHz, danach sind die noch schwachen Frequenzanteile nahezu vollständig von Rauschen überdeckt.
Bild 11: „Cotton Fields“ Das Frequenzspektrum reicht ebenfalls bis 25kHz, danach sind die noch schwachen Frequenzanteile nahezu vollständig von Rauschen überdeckt.
Die Spektralanalyse lässt darauf schliessen, dass die HD Version von einem analogen Masterband stammt. Da es nicht sicher ist, ob das Band von 1959 noch spielbar ist, könnte der Transfer auch von einer späteren Sicherungskopie abstammen.
Die HD Version bringt Belafontes Stimme bei beiden Stücken feiner, fokussierter und weniger rau. Der Raum um die Musiker ist ruhiger, leicht tiefer wahrnehmbar. Piano und Schlagzeug bei Cotton Fileds wirken befreiter, das Ganze fliesst (schmiert) weniger ineinander. Grundsätzlich ist „Belafonte Live at Carnegie Hall“ eine bemerkenswerte Aufnahme. Die oft bei analogen Aufnahmen verschwommenen, ineinander fliessenden Stimmen und Instrumente sind hier deutlich fokussiert. Die HD Version steigert diese Details.
Fazit: Dieser HD-Transfer ist wirklich gelungen und empfehlenswert, selbst wenn man die Aufnahme schon besitzt. Die Pegeldifferenz zur SD Version beträgt 0.5 dB die DR Werte sind nahezu identisch. Als HD Transfer kann man die behutsame Überspielung von analogen Masterbändern bezeichnen. Markant ist, dass auf massive Signal Manipulationen verzichtet wird. Es geht ums restaurieren. Man versucht Unzulänglichkeiten der damaligen Technik, wie Rauschen zu entfernen. Aber immer nur soweit, dass nicht mehr verloren geht als gewonnen wird. So scheint auch diese Belafonte Neuveröffentlichung leicht entrauscht worden zu sein. Es geht ebenfalls darum Sünden früherer Remasters zu vermeiden. Die Rauigkeit der Belafonte Stimme der 1993 CD Ausgabe kommt sehr wahrscheinlich von einer Pegelanhebung im Bereich zwischen 1kHz und 3kHz, die in einigen Tracks vorhanden ist.
Bild 12: Track „Sylvie“, CD 1993. Pegelanhebung im Bereich zwischen 1kHz und 3kHz (Equalizer) ist deutlich erkennbar, vor allem beim Klatschen am Schluss des Stückes.
Bild 13: Track „Sylvie“, HD Version. Pegelanhebung im Bereich zwischen 1kHz und 3kHz (Equalizer) ist nicht sichbar. Die Schallenergie baut sich gleichmässig zu hohen Frequenzen hin ab.
HD Remaster, HD Transfer sind häufig angewendete Techniken um bestehende Aufnahmen aus der rein analogen Epoche aber auch digitale Aufnahmen aus den 80er und 90er Jahren Nachzubearbeiten (Remastering). Ob die HD-Version besser oder schlechter klingt als die Erstausgabe oder eine frühere Nachbearbeitung ist bei jedem Album kritisch zu prüfen. Tipps und Auswahlkriterien später.
Teil 3
High Resolution, High Definition, Standard Definition: Offensichtlich genervt über diese Begriffsvielfalt und Begriffsverwirrung, bat ein frustrierter Leser diesen Knoten zu entwirren. Auch die Adobe Audition Bilder mit den Spektralanalysen sind schwierig zu verstehen, wenn man nicht von der technischen Seite her kommt. Ich versuche heute hier Licht ins Dunkel zu bringen und einige Grundelemente zum Verständnis der Materie zu erklären.
Die Audioindustrie ist leider nicht in der Lage eine einheitliche Definition und Bezeichnung für hochauflösende Audioformate zu schaffen. Wir müssen mit mehreren Auffassungen und Logos für hochauflösende Musik leben.
Bild 1: Mit Hi-Res Music hat die Musikindustrie ein weiteres Logo zum Thema kreiert (Grösser = auf Bild klicken).
Die Herleitung für eine klare HD Definition
Wie sieht nun eine fundierte Definition für High Definition Audio aus? Ich bleibe nun konsequent beim mir am sinnvollsten erscheinenden Begriff HD Audio. Die Musikindustrie und Teile der Geräteindustrie versuchen mit einem subjektiven Ansatz alle möglichen Arten von Aufnahmen als HD zu vermarkten, egal ob die technischen Parameter für HD Audio erfüllt werden oder nicht. Grundsätzlich muss HD Audio den Frequenz- und Dynamikumfang der aufzuzeichnenden Musik vollumfänglich erfassen, speichern und reproduzieren können. Der menschliche Hörbereich muss vollständig abgedeckt sein. Dies auch in Bezug auf die zeitlich genaue, phasenstabile Reproduktion des Klanggeschehens. Die Linearität muss hoch sein, die Verzerrungskomponenten möglichst gering. Dieser technische Ansatz kann und sollte mit subjektiven Höraspekten, d.h. Hörpsychologie als Wechselbeziehung betrachtet werden.
Bild 2: Frequenz und Dynamikumfang der Instrumente und der menschliche Hörbereich sind der Massstab für die Definition von HD-Audio. Das Obertonspektrum der Instrumente reicht deutlich über den menschlichen Hörbereich hinaus. Allerdings sind diese Frequenzanteile von der Energie her (Lautheit) extrem schwach. Dies verdeutlicht das stark abfallende Frequenzspektrum oberhalb von 20kHz (blaue Kurve) (Grösser = auf Bild klicken).
Stellen wir nun diese Anforderungen (technische Eckwerte) den Möglichkeiten der verschiedenen Audiotechnologien gegenüber.
A) Analog Audio: Entwicklung von der Edison Walze von 1877 bis zu der ausgefeilten Technik heutiger Vinyl Tonträgersysteme. Dies schliesst auch die analoge Bandtechnik ein. Es geht um rein analoge Audiotechnik.
B) CD Format 16/44.1. Das Grundkonzept der digitalen Audiotechnik aus den frühen 80er Jahren. Der Red Book Standard definiert einerseits die lange gültigen Aufzeichnungsparameter und anderseits die CD als physischen Träger mit optischer Abtastung als Distributionsformat.
C) Digitale Audioformate, welche einen höheren Dynamik- und Frequenzumfang als die bisherigen unter A und B definierten Formate haben und die Kriterien „menschlicher Hörbereich“ und „Tonumfang der Instrumente“ erfüllen oder übertreffen.
Bild 3: Das PCM Format 24Bit/96kHz erfüllt die oben genannten Kriterien vollumfänglich. 24/192 deckt einen Bereich ab, indem nichts vorhanden ist. Dennoch wird dieses Format als noch besser als 24/96 vermarktet. Es gibt nur ganz schwache Argumente die 24/192 rechtfertigen. Diese drehen sich um den Aspekt des zeitlichen Auflösungsvermögens eines Systems und um Filtereigenschaften (Grösser = auf Bild klicken).
Vergleich von analogen und digitalen Technologien
Die Industrie bringt nun laufend Remasters und Überspielungen von analogen Bändern oder gar Schallplatten als HD Alben auf den Markt. Erfüllen diese als Download erhältlichen Neuauflagen bekannter Alben die HD Kriterien? Erfüllt bereits die CD HD Kriterien?
Bild 4: Wir sehen, die analoge Audiotechnik erfüllt die Kriterien Mensch/Instrument nicht ganz. Auch nicht in den Aspekten zeitliches Auflösungsvermögen, Linearität, Verzerrungen und Kanaltrennung. Dennoch können mit analoger Technik hervorragende Aufnahme gemacht werden. Nur erfüllen diese die Anforderungen für HD Audio nicht. Die CD punktet mit hoher Dynamik, Kanaltrennung und Linearität, kann aber in Bezug auf das reproduzierbare Frequenzspektrum die Anforderungen nicht erfüllen.
Wie gesagt, mit analogen Technologien lassen sich durchaus überzeugende Aufnahmen realisieren. Werden nun solche per Definition als Standard Auflösung eingeordneten Aufnahmen in einen HD Hülle (Container) gepackt, haben wir trotzdem nur eine Klangtreue (Fidelity) auf SD Niveau. 1 Kilo Zucker in einem 2 Kilo Sack erzeugt auf der Waage trotzdem nur 1 Kilo auf der Anzeige.
Aber: „Analog hat im Gegensatz zu digital Audio eine unendliche Auflösung – die Information zwischen den Abtastwerten sind bei digital verloren“. Diese Aussage hört man oft. Nur stimmt sie nicht. > Link Digital Basics. Die relevanten Parameter sind Dynamik und Frequenzumfang – egal ob digital oder analog Technik.
Somit folgern wir, dass für echtes HD Audio die Kette (Aufnahme, Speicherung, Wiedergabe) durchgängig mindestens im Format 24Bit/88.2kHz (Dynamik)/(Frequenzumfang) arbeiten muss. Oder vom CD-Niveau her betrachtet: HD muss mehr als 16Bit Wortlänge UND 44.1kHz Samplingfrequenz haben.
Hier die Definition der Japan Audio Society aus dem Jahre 2014 für HD Audio. Die erste griffige technische Definition, die mit dem Hi-Res Logo verknüpft ist. Leider klebt das Hi-Res Logo auf Alben und auch auf Geräten (hier allerdings sehr selten), welche die HD Kriterien nicht erfüllen.
Analyse Werkzeuge helfen eine Aufnahme nach messbaren Kriterien zu beurteilen
Mit Hilfe von Programmen, wie Adobe Audition, lassen sich Musikaufnahmen analysieren und von der technischen Seite her beurteilen. Wir haben diese Bilder schon oft in unserem Blog publiziert. Wie muss man diese nun lesen?
Vorweg muss man sich kurz mit der Physik eines Klanges beschäftigen. Jeder Ton den ein Instrument erzeugt (auch Gesang), besteht aus Grund- und Obertönen. Diese Grund- und Obertöne sind immer sinusförmig und stehen in einem mathematischen Verhältnis zum Grundton. Die einzelnen Sinusschwingungen addieren und subtrahieren sich zu einer Hüllkurve. Der Grundton bestimmt die Tonhöhe, die Obertöne den Klangcharakter, also ob wir eine Trompete oder eine Gitarre hören.
Bild 5: Ein Klang entsteht durch Grund und Obertönen. Diese ergeben die Hüllkurve. Obere Bildhälfte: Grundton = rote Sinusschwingung = Tonhöhe. Obertöne: 1 Harmonische = blaue Sinusschwingung, 2. Harmonische = grüne Sinusschwingung. Hüllkurve = violette Schwingung (nicht mehr sinusförmig). Sie sehen, wie das vereinfachte Grundprinzip in der oberen Bildhälfte mit den Adobe Audition Bildern korrespondiert.
Hier nochmals das gleich Prinzip mit einer Grundschwingung und zwei Obertönen als Audition Grafik:
Bild 6: Die Aussage von Bild 5 mit Audition realisiert. Man sieht deutlich die mit zunehmender Frequenz abnehmende Energie der Schwingungen. Der 1kHz Ton ist kräftig orange, der 10kHz Ton schwach violett. Die grüne Hüllkurve zeigt die sich überlagernden Frequenzen (die obere Zeitachse ist stark gedehnt im Verhältnis zur Spektralanzeige unten). Die einzelnen Töne setzen zeitversetzt ein.
Hier die aus dem vorletzten Blog bekannte Grafik der Berlioz Symphonie fantastique, die Sie nun besser interpretieren können:
Bild 7: Der grosse Dynamik- und Frequenzumfang dieser Berlioz HD Aufnahme (24/96) lässt sich nicht vollumfänglich auf einem Träger im SD Format (CD/Tape/Vinyl) speichern.
Knacknuss zeitliches Auflösungsvermögen – wirklich?
Das zeitliche Auflösungsvermögen des menschlichen Hörens wurde in letzter Zeit vermehrt diskutiert. Richtungsorientiertes Hören entsteht dadurch, dass Schallwellen von rechts zuerst am rechten Ohr eintreffen und zeitversetzt am linken Ohr. Aus der kleinen Zeitdifferenz errechnet unser Hirn die Richtung aus der der Ton oder das Geräusch kommt. Das zeitliche Auflösungsvermögen des Menschen ist weit grösser als die Fähigkeit unterschiedliche Tonhöhen genau zu erkennen. Auf die Audiotechnik übertragen bedeutet dies, dass bei einem Audiogerät Phasenfehler (zeitlicher Versatz des Signals) respektive Jitter in digitalen Systemen einen viel grösseren Einfluss auf das Hörempfinden haben als Frequenzgangfehler. Es erstaunt daher auch nicht, dass die Bowers & Wilkins Ingenieure mehr Wert auf Phasentreue als auf eine extrem gerade Linie im Frequenzdiagramm legen.
Das zeitliche Auflösungsvermögen der CD wird aus Unkenntnis über die Funktionsweise der digitalen Signalverarbeitung sehr oft falsch interpretiert. Es herrscht die irrige Meinung vor, die Information zwischen den Abtastpunkten sei verloren. Auch ein Zeitversatz der kleiner als das Abtastintervall ist, wird bei der Wiedergabe zeitrichtig rekonstruiert. Eine höhere Abtastfrequenz (Samplerate) erfasst nicht mehr Informationen im Frequenzbereich der bereits von einer tieferen Abtastrate erfasst wurde. Die Erhöhung von 44.1 kHz auf 96 kHz erweitert den möglichen Übertragungsbereich von 22.05 kHz auf 48kHz.
Fazit: HD Audio kann technisch genau definiert werden. Die Marketingabteilungen versuchen auch SD Formate als HD Audio zu verkaufen. Mit Aussagen wie „Masterband Qualität“ „und „so wie es die Künstler im Studio hören“ werden SD Aufnahmen ab Band oder CD Master in HD Container verpackt und angeboten. Aber auch auf der anderen Seite der HD Line wird kräftig mit hohen und immer höheren Samplingraten versucht vermeintlich bessere Qualität zu liefern. Ausser Nullen auf der Festplatte und einem leicht leereren Geldbeutel passiert aber gehörmässig nichts. Als Grund für Samplingraten grösser als 96kHz werden Vorteile im Zeit- und Filterbereich genannt. Nur bis jetzt fehlt der schlüssige Beweis für diese Argumente.
High-Res-Audio oder High-Definition-Audio wäre eigentlich eine klare, unmissverständliche Sache. Ein Ensemble oder Band spielt im Aufnahmeraum. Das Klangeschehen wird von den Mikrofonen erfasst und in einem HD-Format mit 96kHz Sampling Frequenz (speicherbarer Frequenzumfang) und 24Bit Wortlänge (speicherbarer Dynamikumfang) gespeichert. Alle im Prozess eingesetzten Geräte und Programme erfüllen die technischen Werte für High Res Audio. Die Nachbearbeitung (Mastering) erfolgt ebenfalls im 24/96 Format. Das Endprodukt wird als 96/24 HD-Download oder durch Umrechnung ins 16Bit/44.1kHz Format als CD angeboten. Der Download ist High Res Audio, die CD ist definitionsgemäss Standard Audio. Punkt.
Doch so einfach, wie oben dargestellt, ist das Thema nicht. Betrachten wir die Realität anhand von einigen ausgesuchten Alben. Die Titel eines im Online-Musikshop angebotenen Albums können in MP3 Qualität vorgehört werden (meistens 256kbs oder 320kbs). Neben den Albuminformationen werden auch die verfügbaren Downloadformate und Preise gelistet. Ob die Aufnahme wirklich gut klingt und ob das Album HD-Audio Kriterien erfüllt, hören wir frühestens bei der Wiedergabe über eine High-End-Anlage. Und auch dann können wir nicht sicher sein, ob die High-Res Standards erfüllt sind. Das Ganze wäre weniger kritisch, wenn nicht für die HD-Versionen eines Albums teilweise markante Aufpreise verlangt würden. Je höher die Sampligrate desto höher der Preis. Diese Mehrkosten sind nicht immer gerechtfertigt. Mythen und Produkt Lobpreisungen, die teilweise aus technischer Sicht blanker Unsinn sind, helfen auch zweifelhafte Aufnahmen zu höheren Preisen zu verkaufen. Dies zum Schaden wirklicher High Res Aufnahmen, denn unseriöse Anbieter bringen die Branche in Verruf, verunsichern die Endkunden.
Wie erkennt man, ob die HD-Version den Mehrpreis wert ist?
Anhand welcher Kriterien kann vor dem Kauf die richtige Auswahl getroffen werden? Lassen Sie mich die Fragen mit Hilfe einiger Beispiele beantworten. HD-Alben lassen sich in folgende Kategorien einteilen:
A) Echte, native HD Aufnahmen
B) HD-Minus
Subkategorien:
C) HD-Transfer
D) HD-Remaster
E) HD-Bluff
Die Kategorien A und D sind relativ einfach zu erkennen, dazu mehr im nächsten Blog. Beginnen wir mit den nicht so offensichtlichen Fällen.
Als Beispiel für HD-Minus nehmen wir Berloz‘ Symphonie fantastique des Labels 2xHD. Donnerwetter, da muss was dahinter sein, wenn man den Anspruch erhebt doppelt so gut zu sein, wie die anderen HD-Anbieter und das auch auf der Website prominent für sich in Anspruch nimmt. Hier die 2xHD Werbebotschaft:
“2xHD THE MOST MUSICAL HIGH RESOLUTION STANDARD AVAILABLE. This superior download platform is able to deliver high resolution music, through Cloud-based distribution. HD downloads, using Direct Stream Digital (DSD and DSD 2) or Digital eXtreme Definition (DXD) deliver a total natural sound. It is the new method for selling quality music reproduction on-line.
With this ‘back-to-the-future’ technology, music can now be downloaded without using compression. The resulting higher fidelity (40% better than CD), not only retains the warmth and depth of the original recording, it carries a new transparency to the higher register so that each instrument can be heard with brilliant clarity even at a lower listening level. One can hear studio quality reproduction in one’s own living room.” Quelle: http://www.2xhd.com/technology.html
Da wird eine Zurück in die Zukunft Technologie angepriesen, welche eine um 40% bessere Klangqualität als die CD liefert. Weiter wird versprochen, dass die Wärme und Tiefe, der Original Aufnahme erhalten bleiben, eine neue Transparenz in den oberen Registern geboten werde und man die Studio Qualität im eigenen Wohnzimmer hören kann. Was steckt hinter dem 2xHD Prozess, der am Ende nur zu HD-Minus führt? Auf der 2xHD Website werden die Produktionsschritte nicht im Detail erläutert, dafür aber im Booklet der 2xHD Alben. Das Label legt die Produktionsmethode offen und ist auch offensichtlich überzeugt, so bessere Resultate zu erzielen = näher am Originalklang zu sein.
Bild 1: “The process begins with a transfer to analog from the original 24bits/96kHz, or 88.2 kHz resolution master, using cutting edge D/A converters. The analog signal is then sent through a hi-end tube pre-amplifier and (if needed) will be EQ’d before being recorded directly in DXD using the dCS905 A/D and the dCS Vivaldi Clock. All connections used in the process are made of OCC silver cable. DSD and 192kHz/24Bit versions are separately generated, directly from the analog signal.” Quelle: Booklet 2xHD, Berlioz, Symphonie fantastique. Grösser: auf Bild klicken.
Da wird also eine digitale Aufnahme in die analoge Domäne konvertiert, bearbeitet und wieder digitalisiert in unterschiedlichsten HD-Formaten angeboten. Analysieren und vergleichen wir die Original Aufnahme und die 2xHD Version miteinander:
Bild2: Frequenzsektrum der Original Naxos 24/96 Aufnahme. Berlioz: Symphonie fantastique, Op. 14: IV. Marche au Supplice: Allegretto non troppo. Die Ultraschallanteile reichen bis knapp über 40kHz. Das klare Spektrum ohne Rauschanteile ist typisch für eine 24/96 PCM Einspielung. Die hohen Energieanteile im tieffrequenten Bereich sind orange und rot. Zu höheren Frequenzen hin nimmt die Schallenergie kontinuierlich ab. Je schwächer die violetten Anteile sind, desto geringer ist die Energie. Im Ultraschallbereich oberhalb von 20kHz liegt diese meist unter 1% der Energie des Grundtones. Das Bild zeigt die spektrale Energieverteilung des ganzen Satzes – Zeitachse von links nach rechts. Grösser: auf Bild klicken.
Bild3: Das Frequenzspektrum der 2xHD Bearbeitung bleibt knapp unter 40kHz. Grösser: auf Bild klicken.
Bild 4: Frequenzanalyse (FFT). Grün = Naxos 24/96 Original, Rot = 2xHD Version. Die Nachbearbeitung zeigt deutliche Abweichungen zum Original. Das Spektrum ist im oberen Frequenzbereich um bis zu 6dB angehoben. Grösser: auf Bild klicken.
Bild 5: Hüllkurve. Grün = Naxos 24/96 Original, Rot = 2xHD Version. Der Signalpegel der 2xHD Nachbearbeitung ist 0.63 dB höher, d.h. die 2xHD Aufnahme ist leicht lauter. Da identische Pegel für einen korrekten Vergleich unabdingbar sind, wurde dieser bei der Naxos 24/96 Pegel entsprechend angehoben. Die rote 2xHD Kurve weicht immer wieder vom Original ab, vor allem in Bezug auf Pegel und Phasenlage. Grösser: auf Bild klicken.
Bild 6: Phasenlage – Polardiagramm rechte Bildhälfte. Weiss = Naxos 24/96 Original, Rot = 2xHD Version. Die Phasenlage der beiden linken Kanäle wurde exakt zum gleichen Zeitpunkt gemessen (1:45:321 – siehe Hüllkurve im linken Bildteil, Grün = Naxos 24/96, Rot = 2xHD). Phasenverschiebungen sind Fehler im Zeitbereich. Die 2xHD hat erhebliche Phasenfehler. Grösser: auf Bild klicken.
Bilder 6 und 7: Audioanalyse, 2xHD oben. Messung von Pegel und Dynamikbereich. Die 2xHD Nachbearbeitung weist einen um 0.63 DB höheren Pegel auf und einen leicht geringeren Dynamikbereich (DR15). Grösser: auf Bild klicken.
Die Messungen zeigen deutlich: die Nachbearbeitung weicht sichtbar von der Originalaufnahme ab. Somit wurden dem Original Signalanteile hinzugefügt oder Signalanteile entfernt und auf der Zeitachse treten Phasenverschiebungen auf. Wie macht sich das Ganze nun gehörmässig bemerkbar?
Wie werden diese Fehler wahrgenommen: der Höreindruck
Damit die Adobe Audition Analyse die Hörbeurteilung nicht beeinflusst (self biasing), habe ich beide Versionen als erstes intensiv gehört. Nur die Pegelmessung (Bilder 6 und 7) wurde vorab gemacht und die Abhörlautstärke beim Titelwechsel jeweils um 0.5dB am Vorverstärker (CP-800) korrigiert. Die 2xHD Aufnahme hat weniger Prägnanz gegenüber dem 24/96 Original. Die Blechbläser verlieren spürbar an Strahlkraft und Brillanz, die Fagottstimme an Knurrigkeit. Das Klangbild wirkt insgesamt weicher, die Abbildung der Instrumente ist weniger präzise, die Positionierung diffuser. Auch die Raumabbildung leidet. Der Raum zwischen den Instrumenten wirkt reduziert, was als Folge der breiteren Abbildung der Instrumente angesehen werden kann. Das Fell der Pauke am Satzbeginn scheint im ersten Eindruck schöner nachzuschwingen. Beim mehrmaligen Vergleich mit dem Original, entpuppt sich diese Wahrnehmung aber eher als Schmiereffekt.
Schlussfolgerung aus Messungen und Höreindruck: 2xHD hält nicht was das Label anpreist. Besonders die Aussage von mehr Raum und Präzision kann nicht bestätigt werden. Im Gegenteil. Die 2xHD Version ist nicht besser, sie ist schlechter als das Original, wenn auch minim. Daher das Verdikt: HD Minus. Das Resultat kann nicht wirklich überraschen. All diese Konvertierungen und das Durchschlaufen des Signals durch analoge, teilweise mit Röhren bestückten Geräten kann keine Verbesserung des Originals bringen. Vielmehr werden dem Signal Verfärbungen beigemischt. Wenn die 2xHD Macher das Resultat als besser empfinden, dann suchen sie primär den Klang der analogen Wiedergabetechnik und nicht den Originalklang der im Aufnahmeraum vorherrschte.
Weniger Qualität zum höheren Preis
Die Preise für die verschiedenen HD Downloads.
|
Quelle |
Preis |
Naxos Original |
PrestoClassical.co.uk |
12.50 CHF |
Naxos Original |
Classiconlinehd.com |
11.99 USD |
2xHD |
Qobuz.com |
23.99 CHF |
2xHD |
Hdtracks.de |
29.00 € (384/24) |
2xHD |
Hdtracks.de |
20.00 € (192/24) |
Teilweise happige Aufpreise. Und wieder finden wir in der Anpreisung die nichts sagende Worthülse musikalisch, bei 2xHD sogar in der Steigerung als am „meisten musikalisch“. Unter musikalisch kann sich jeder Vorstellen was er will, ein völlig subjektiver, unpräziser Begriff, mit einem für Andere nicht reproduzierbaren Inhalt. Ebenso das Aufblasen der Dateien auf 192kHz und 384kHz ist mehr als fragwürdig – um es höflich zu formulieren. Wir haben gesehen, dass oberhalb von 40kHz keine Signalanteile mehr vorhanden sind. Mit 96kHz Samplingfrequenz lassen sich Frequenzen bis 48kHz aufzeichnen. 192kHz und 384kHz Dateien übertragen keine Mehrinformationen, nur mehr Nullen. Wer bei 192kHz und höher das Filter Thema als Argument für eine noch höhere Samplingfrequenz anbringt aber gleichzeitig Röhrentechnik in den Signalweg einbringt, ignoriert vollständig die Grössenordnung der induzierten Fehler, die bei der Röhre um das Hundertfache grösser sind.
Fazit: Die original Naxos 24/96 Aufnahme ist näher am Original als die teurere 2xHD Variante. Auch wer Röhrensound und Vintage Audio liebt und bevorzugt, kann sich die CHF 12.50 Variante runterladen. Der Röhrenverstärker in der Kette sorgt dann für das gewünschte Klangbild.
Allgemein: Zur HD Minus Kategorie zählen HD Aufnahmen, die während des Mastering Prozesses analoge Komponenten einbinden. Dies kann beispielsweise über den 2xHD Prozess, die CLASP Technik (siehe Blog „Tracker: digitale Analog-Aufnahme“) oder über digitale Zusatzprogramme für digitale Audio Workstations (siehe Blog „Wie man bessere Klangqualität einem mythischen Sound opfert“) realisiert werden. Die analogen Komponenten fügen dem Signal die typischen Artefakte (Fehler) der analogen Audiotechnik zu. Grundsätzlich wird die Signalqualität damit negativ beeinflusst. Dies geschieht aber in der Absicht einen bestimmten Klangcharakter zu kreieren, an den man sich aus den rein analogen Tagen gewöhnt hat. Diese Vorgehensweise ist vor allem im Pop Genre sehr beliebt. Wird bei Klassik- und Jazz-Produktionen aber eher selten angewendet. HD Minus Aufnahmen können hervorragend klingen, sie nutzen allerdings nicht das volle HD Klangpotential aus.
Hinweis: das Label 2xHD verwendet auch analoge Masterbänder als Quellmaterial.
Teil 2
Die Mehrheit der angebotenen High Res Alben wurden nicht in einem High Res Format aufgenommen – vor allem im Pop Genre. Es sind somit keine echten High Res Alben, sie wurden lediglich in einen High Res Container gepackt. Auch Überspielungen von analogen Master Bändern erfüllen die im ersten Teil zu diesem Thema definierten Kriterien für HD-Audio nicht (hier der Link zum ersten Teil „HD, 2xHD und trotzdem kein HD“). Ein analoges Master Band kann klanglich auf sehr hohem Niveau sein, erfüllt aber in Bezug auf Dynamikumfang, Kanaltrennung, Linearität und Phasenstabilität die High Res Kriterien bei weitem nicht. Auch nicht den Red Book CD Standard. Ich spreche hier von Klangpräzision nicht von Klangpräferenz. Es kann trotzdem sinnvoll sein, die vom Zerfall bedrohten Masterbänder und Originalaufnahmen in einem High Res Format zu digitalisieren um wertvolle Aufnahmen zu erhalten. Die moderne Digital Audio Technik kann das analoge Material restaurieren und Unzulänglichkeiten der damaligen Aufnahmetechnik bis zu einem gewissen Grad ausmerzen. Zurzeit gelangen immer mehr dieser Alben im High Res Format auf den Markt. Lohnt es sich ein Album, welches man schon als CD oder LP besitzt, nochmals als HD-Ausgabe zu kaufen? Ja und Nein!
HD-Transfer und HD-Remaster: von grauenvoll bis hervorragend
Man muss jede Neuausgabe im HD-Format kritisch beurteilen. Nachfolgend einige Beispiele – gute und schlechte – die helfen das Thema zu verstehen. Diese Beispiele sollen als Orientierungs- Entscheidungshilfe dienen.
HD Transfers sind Überspeilungen von analogen Bändern (d.h. analoge Aufnahmen) in die digitale Domäne. Die Konvertierung in ein HD-Format von 88.2kHz/96kHz – 24Bit ist sinnvoll. Diese Formate verfügen über genügend Frequenz- und Dynamikumfang um den nötigen Freiraum für die Nachbearbeitung zu gewährleisten. Das oft gehörte Argument, man müsse ein analoges Signal mit einer möglichst hohen Samplingfrequenz abtasten (96kHz, 192kHz, 384kHz), damit die analoge Wellenform möglichst genau gespeichert werden kann, ist falsch (Hintergrundinformationen zu diesem Aspekt finden Sie hier Blog Digital Basics). Massgebende Kriterien sind Dynamikumfang (dB/Bit) und Frequenzumfang (Hz/Samplingfrequenz in kHz) der Originalaufnahme und des Zielformates.
Nicht jeder HD-Transfer mit nachfolgender Nachbearbeitung, sei es nun Restauration oder Remastering, kann als gelungen bezeichnet werden. Dies hängt nicht zuletzt auch von der Qualität des Quellmaterials ab. Ein analoges Masterband ist mindestens die dritte Bandgeneration, denn kein Tonmeister riskiert es mit dem Originalband zu arbeiten. Mit jeder Bandkopie gehen 3dB Dynamikumfang verloren, nehmen Verzerrungskomponenten zu. Ebenso unterscheidet sich eine Aufnahme aus den späten 50er und frühen 60er Jahren erheblich von dem was und wie im Jahrzehnt vor und nach der Einführung der CD in den Aufnahmestudios produziert wurde. Paul Simons Alben eignen sich sehr gut um diesen Epochenaspekt zu beleuchten.
A) Sounds of Silence
Das Folk-Rock Album „Sounds of Silence“ von Simon und Garfunkel erschein 1966. Es ist als SD (Standard Definition) und HD Version bei diversen Anbietern erhältlich. Hier die Spektralanalyse der SD Version des Titels „April Come She Will“:
Bild 1: Der Track 9 „April Come She Will“ ist ein ruhiger Titel mit akustischer Gitarre und Gesang (CD Release von 1992). Das Frequenzspektrum der analogen Aufnahme reicht knapp über 20kHz. Oberhalb von 18kHz werden die schwachen Signalanteile zunehmend von Bandrauschen überdeckt.
Bild 2: Track 9 „April Come She Will“ Frequenzspektrum der HD-Version von 2014 (24/96). Das Rauschen endet abrupt bei 22kHz. Die HD Version ist offensichtlich nur eine CD in einer grösseren Verpackung. Oberhalb von 22kHz ist nichts! Nur Nullen auf der Festplatte.
Klingt nun die HD Version trotzdem besser – oder nur anders? Ja, es klingt anders, aber nur weil der Pegel der HD Version gegenüber der SD Version um knapp 3 dB lauter ist. Zudem ist die Dynamik komprimiert SD = DR12, HD = DR10. Korrigiert man den SD Pegel um 3 dB bei der Wiedergabe schmelzen die Unterschiede dahin.
Bilder 3 und 4: SD oben, HD unten.
Die Dynamikkompression und die Pegelanhebung der HD Version ist auch in Adobe Audition deutlich an der Hüllkurve erkennbar:
Bild 5: Die Hüllkurve von „April Come She Will“ stellt die Messungen der Bilder 3 und 4 grafisch dar.
Fazit: die HD Version von „Sounds of Silence“ gehört in die Kategorie HD Bluff – es wird mit plumpen Tricks gearbeitet. Die Klangunterschiede stammen von einfachen Signalmanipulationen. Die Quelle für die HD Version ist offensichtlich ein digitaler Master und nicht das analoge Masterband aus dem Jahre 1966. Vermutlich ist dieses nicht mehr spielbar oder war nicht verfügbar. Die Dynamikkompression lässt das Musikstück druckvoller erscheinen, raubt ihm aber feine Details. Der Hauptgrund von High Definition bei Ton und Bild ist die Wiedergabe von feinen Details. Insofern ist die HD Version von „Sounds of Silence“ eine Farce: diese Version hat weniger Details. Bei HD Tracks ist das Album für USD 24.98 ausschliesslich im „audiophilen 192kHz Format“ erhältlich. Die SD Version gibt’s bei Qobuz zum halben Preis. Wenn wir aber wissen, dass oberhalb von 22kHz nichts vorhanden ist, ist der Mehrpreis für die HD Version nicht gerechtfertigt, ein Neukauf sinnlos.
B) Graceland
Paul Simons Album Graceland stammt aus dem Jahre 1986. Es vereint westliche Folk- und Popmusik mit afrikanischer Musik und wurde zusammen mit Musikern aus Afrika aufgenommen. Das erfolgreiche Album wurde weltweit über 14 Millionen verkauft. Das mit zwei Grammy-Awards ausgezeichnete Werk ist das erfolgreichste Soloalbum von Paul Simon.
Als Vergleich zwischen der SD und HD Version (24/96) des Albums wurde die CD aus dem Jahr der Veröffentlichung und die HD Version der 25th Anniversary Edition“ verwendet. Vorab: Hände weg von jeder Version dieser Jubiläumsausgabe. Ich habe die Alben für die High Res Blog Serie mehr oder weniger zufällig ausgewählt. Die technische Analyse erfolgte nach der Auswahl. Die Resultate sind somit nicht gesucht, sondern sind das Abbild einer zufälligen Stichprobe.
Die pseudo HD Version ist satte 8.63 dB lauter als die SD Version (CD) aus dem Jahr 1986. Die extreme Dynamikkompression verfälscht das Musiksignal massiv. Der DR Wert sinkt von hervorragenden DR16 auf DR8 runter. Im Weiteren war eine 16Bit/44.1kHz Version der Ausgangspunkt für die Nachbearbeitung. Die Spektralanalyse verdeutlicht:
Bild 6: Track „ Diamonds on the Soles of Her Shoes”, Album “Graceland “25th Anniversary Edition”. Die klare Abrisskante bei 22.05 kHz belegt die CD-Herkunft. Die Ultraschallanteile oberhalb von 22kHz wurden dazugerechnet, sind künstlich erzeugt (24/96 HD Remaster von 2012).
Bild 7: Die massive Dynamikkompression ist ein Tribut an die Anforderungen des Massenmarktes und bedeutet eine massive Klangverschlechterung. Das Ganze dann noch in einen HD Container zu packen ist sinnlos. Der „HD-Remaster“ nutzt nicht einmal den Dynamikumfang einer Compact Cassette.
Fazit: Ein kaputt bearbeitetes Album, das als teures Qualitätsprodukt angepriesen wird. Punkt – mehr gibt es dazu nicht zu sagen. (Mehr Infos zum Thema Dynamikkompression finden Sie im Blog „Verstümmelte Musik: wie Dynamikkompression und Datenreduktion die Musik verändern“ Link)
C) The Rhythm of the Saints
Das dritte Album der Paul Simon Reihe ist „The Rhythm of the Saints“ aus dem Jahr 1990, der HD-Remaster ist von 2011 (24/96). Vorab: diese Neuauflage macht eher Sinn. Schauen wir uns vorweg die technische Analyse an.
Bild 8: Die HD Version von 2011 weist auch hier keine Frequenzanteile oberhalb von 22.05kHz auf. Somit hat die Quelle SD‑, respektive CD-Auflösung. Der mittlere Pegel der HD-Version ist 1.5 dB lauter, der Dynamikumfang DR10 (SD = DR13) ist geringer.
Bild 9: Intro Track „Coast“ bei 15 Sekunden Spielzeit, Einsatz Gitarre. Die Kanäle der HD Version (rot) sind gegenüber der SD Version von 1990 (grün) invertiert, was aber kein wirkliches Problem ist. Gut erkennbar ist die Pegelanhebung bei der HD Version (Differenz Spitzenpegel SD = ‑16dB, HD = ‑13.5dB).
„The Rhythm of the Saints“ kann zu den besseren Remasters gezählt werden. Die Bearbeitung hebt einzelne Klangspektren und Instrumente hervor. Die Gitarrensaiten klingen deutlicher, haben mehr Prägnanz. Die hohen Perkussionsstimmen neigen in der SD Version im Gesamtklang unterzugehen. Die HD Version bring hier eine bessere Klangbalance trotz geringerer Gesamtdynamik. Nur High Definition Audio ist die HD Version dieses Albums nicht. Als Remastering Arbeitsplattform bietet sich das 24Bit/96 kHz Format an. Der grössere Arbeitsraum ermöglicht die Arbeiten genau und mit einer grossen Sicherheitsmarge auszuführen. Auch die anschliessende Distribution in diesem Format geht in Ordnung, denn ein generelles runterrechnen auf 16Bit/44.1kHz kann zu Rundungsfehlern und Quantisierungsverzerrungen führen, wenn kein Dither hinzugefügt wird. Die Frage bleibt, ob es dann gerechtfertigt ist eine Preisdifferenz zwischen der SD und HD Version des Remasters zu machen. Ich meine nicht. Spitzfindig gesagt, müsste die SD Version teurer sein, denn diese Version erfordert einen Arbeitsschritt mehr.
Fazit: Zusammenfassend für die ganze Kategories dieser HD-Remasters gilt: die Klangunterschiede stammen nicht von der höheren Auflösung des HD Formates, sondern durch Veränderung der inneren Struktur der originalen SD Aufnahmen. Ob das Resultat überzeugt, respektive ein Klangvorteil bringt, hängt von der Arbeitsqualität des Toningenieurs ab und den kommerziellen Vorstellungen des Produzenten.
Noch älter! Wird’s dann besser oder noch schlechter?
Als letzten Punkt für heute schauen wir uns eine der markantesten Alben der jüngeren Musikgeschichte an: Harry Belafontes „Belafonte Live at Carnegie Hall“. Die Aufnahme von Bob Simpson entstand anlässlich von zwei Benefiz Konzerten im April 1959 live in der Carnegie Hall, New York. Das Doppelalbum ist ein Dauerbrenner über all die Jahrzehnte des Tonträgerverkaufs. Es überrascht daher nicht, dass auch hier eine HD-Version auf dem Markt erhältlich ist.
D) Belafonte Live at Carnagie Hall
Wir betrachten zwei Stücke aus diesem Doppelalbum: „Sylvie“ und „Cotton Fileds“. Die in diesen Artikel verwendete SD Version ist die CD Veröffentlichung von 1993.
Dieser HD Transfer (24/96) ist gelungen. Offensichtlich wurde nicht einfach der CD Master von 1993 bearbeitet, wie wir dies bei Paul Simons Alben gesehen haben, sondern auf ein analoges Master zurückgegriffen. Auf welches liess sich nicht eruieren. Betrachten wir die Frequenzspektren der HD Ausgabe:
Bild 10: „Sylvie“ Das Frequenzspektrum reicht deutlich bis 25kHz, danach sind die noch schwachen Frequenzanteile nahezu vollständig von Rauschen überdeckt.
Bild 11: „Cotton Fields“ Das Frequenzspektrum reicht ebenfalls bis 25kHz, danach sind die noch schwachen Frequenzanteile nahezu vollständig von Rauschen überdeckt.
Die Spektralanalyse lässt darauf schliessen, dass die HD Version von einem analogen Masterband stammt. Da es nicht sicher ist, ob das Band von 1959 noch spielbar ist, könnte der Transfer auch von einer späteren Sicherungskopie abstammen.
Die HD Version bringt Belafontes Stimme bei beiden Stücken feiner, fokussierter und weniger rau. Der Raum um die Musiker ist ruhiger, leicht tiefer wahrnehmbar. Piano und Schlagzeug bei Cotton Fileds wirken befreiter, das Ganze fliesst (schmiert) weniger ineinander. Grundsätzlich ist „Belafonte Live at Carnegie Hall“ eine bemerkenswerte Aufnahme. Die oft bei analogen Aufnahmen verschwommenen, ineinander fliessenden Stimmen und Instrumente sind hier deutlich fokussiert. Die HD Version steigert diese Details.
Fazit: Dieser HD-Transfer ist wirklich gelungen und empfehlenswert, selbst wenn man die Aufnahme schon besitzt. Die Pegeldifferenz zur SD Version beträgt 0.5 dB die DR Werte sind nahezu identisch. Als HD Transfer kann man die behutsame Überspielung von analogen Masterbändern bezeichnen. Markant ist, dass auf massive Signal Manipulationen verzichtet wird. Es geht ums restaurieren. Man versucht Unzulänglichkeiten der damaligen Technik, wie Rauschen zu entfernen. Aber immer nur soweit, dass nicht mehr verloren geht als gewonnen wird. So scheint auch diese Belafonte Neuveröffentlichung leicht entrauscht worden zu sein. Es geht ebenfalls darum Sünden früherer Remasters zu vermeiden. Die Rauigkeit der Belafonte Stimme der 1993 CD Ausgabe kommt sehr wahrscheinlich von einer Pegelanhebung im Bereich zwischen 1kHz und 3kHz, die in einigen Tracks vorhanden ist.
Bild 12: Track „Sylvie“, CD 1993. Pegelanhebung im Bereich zwischen 1kHz und 3kHz (Equalizer) ist deutlich erkennbar, vor allem beim Klatschen am Schluss des Stückes.
Bild 13: Track „Sylvie“, HD Version. Pegelanhebung im Bereich zwischen 1kHz und 3kHz (Equalizer) ist nicht sichbar. Die Schallenergie baut sich gleichmässig zu hohen Frequenzen hin ab.
HD Remaster, HD Transfer sind häufig angewendete Techniken um bestehende Aufnahmen aus der rein analogen Epoche aber auch digitale Aufnahmen aus den 80er und 90er Jahren Nachzubearbeiten (Remastering). Ob die HD-Version besser oder schlechter klingt als die Erstausgabe oder eine frühere Nachbearbeitung ist bei jedem Album kritisch zu prüfen. Tipps und Auswahlkriterien später.
HD Realität 2016. High Res Audio: Dichtung und Wahrheit (Teil 3)
Wie sieht die HD Realität nun aus? Im letzten Teil der Trilogie geht es um Aufnahmen aus den letzten Jahren. All diese Aufnahmen hätten als native, echte High Resolution Einspielungen realisiert werden können, da die Technologie verfügbar war. Sie finden ebenfalls einige Tipps und Hinweise, wie man vor dem Kauf echte von unechten HD Aufnahmen unterscheiden kann – es zumindest versuchen kann. Eine 100% sichere Evaluation ist vor dem Kauf nicht möglich. Es gibt aber durchaus Anhaltspunkte an denen man eine Aufnahme beurteilen kann. Und im Zweifelsfall und bei zu grosser Preisdifferenz zwischen HD- und SD-Version, sollte man die Letztere wählen.
Pop, Jazz, Klassik – ein uneinheitliches Bild
Als Einstieg die mustergültige HD Live Aufnahme von Beethovens erster Symphonie aus der Re-Sound Beethoven Serie. Die Live Aufnahme entstand in Wien im Dezember 2014 am Ort der Uraufführung der 1. Symphonie, die am 2. April 1800 im Palais Niederösterreich (Landhaussaal) stattfand. Dieses Album ist in vielerlei Hinsicht exemplarisch für akkurate Klangreproduktion – in technischer und künstlerischer Hinsicht.
a) Die Ausgangslage: Das Werk im Kontext der Entstehung. Hier Auszüge aus dem Booklet zum Album.
„Musik im Klang ihrer Zeit wollen wir Ihnen mit unseren Interpretationen bieten: den Möglichkeiten des historischen Instrumentariums wollen wir Klang und Aura jener Konzerträume hinzufügen, in denen der Komponist selbst seine Werke dirigiert und erlebt hat“.
b) Die Aufnahme: das Einfangen einer Atmosphäre.
„Unser Produzent Stephan Reh ist bemüht, die klangliche Besonderheit jedes einzelnen Raumes wiederzugeben: die weiche Fülle des barocken Landhaussaales, die kraftvolle Intimität des Eroica-Saales im Palais Lobkowitz, die Transparenz des Alten Universitätssaals, die trockene Klarheit des Theaters in der Josefstadt und die klangliche Größe des Redoutensaales, des damals größten verfügbaren Konzertraums Wiens“.
c) Die Produktion: Als Live Mitschnitt stellt die Aufnahme eine integrale Momentaufnahme dar. Alle Musiker sind gleichzeitig da und spielen das Werk ohne Unterbrechung durch – abgesehen von den Pausen zwischen den Sätzen.
Das Re-Sound Beethoven Album transportiert somit ein Klangereignis in den Wiedergaberaum. Wir hören das Werk, wir hören den Aufnahmeraum, wir hören eine kohärente Einspielung. Auch der historische Kontext ist spannend. Ein Album mit hohem Repertoirewert. Der Kauf lohnt sich, selbst wenn man schon mehr als eine Aufnahme der Beethoven Symphonien hat. Das Album ist interpretatorisch und klanglich auf hohem Niveau. Die Re-Sound Konzertreihe mit Live Mitschnitten wird 2016 und 2017 fortgeführt.
Bild 1: Re-Sound Beethoven, Symphonie Nr. 1, 3. Satz. Das Frequenzspektrum reicht bis in den Bereich von 37 kHz/-105 dB. Eine für Klassik zu erwartende, natürliche spektrale Energieverteilung und grossem Dynamikumfang. Die Musik lebt auch vom Spannungsverhältnis zwischen laut und leise, an- und abschwellend. (Grösser = auf Bild klicken)
Bild 2: Landtagssaal, Palais Niederösterreich. Ort der Uraufführung von Beethovens 1. Symphonie und Aufnahmeort des Albums Re-Sound Beethoven – Symphonien Nr. 1 & 2. (Grösser = auf Bild klicken)
Was ist spannender als ein Gegensatz?
„Adele 25“, das am 20. November 2015 erschienene Album der britischen Sängerin Adele wurde in den USA in den ersten drei Wochen über 5 Millionen Mal verkauft. Das Album ist exemplarisch für eine Pop Produktion, die auf kommerziellen Höchsterfolg getrimmt ist. Trotzdem ist Adeles musikalisches Schaffen herausragend. „Adele ist […] eines der größten Talente, die das Insel-Königreich in diesem Jahrtausend zu bieten hat. Sie kann fabelhaft singen und noch viel bessere Songs schreiben.“ Christoph Dallach: Kultur SPIEGEL. Umso bedauerlicher ist was Produzent und Mastering aus diesen Aufnahmen gemacht haben:
a) Dynamikumfang gemäss DR Skala:
Bild 3: Adele 25 (DR5) ist gegenüber dem Album Adele 21 (DR 6) nochmals um 1 bis 2 DR Grade pro Track geringer gemastert. Massive Dynamikkompression: die Abkehr vom Loudness War ist beim Produzenten des Albums noch nicht angekommen. (Grösser = auf Bild klicken)
Hören die Leute denn diese Verzerrungen nicht? Ist das möglicherweise gewollt – wenn ja, dann frage ich mich was diese Leute für Klangideale haben. Meine sind es definitiv nicht. Sind es Adeles Klangvorstellungen? Hören wir, wenn wir die Disc einlegen die Musik so „wie es der Künstler im Tonstudio gehört hat“? Natürlich nicht, denn das ganze Album ist nur als CD erhältlich – ist nicht im Streaming Abo verfügbar und auch als Download gibt’s nur die Single „Hello“. Hmm – somit ist keine HD-Version verfügbar. Daher auch nicht „so wie es der Kunstler..“? Lassen wir den Sarkasmus – auch als HD-Version wäre das Album aufnahmetechnisch – aus meiner Sicht – von minderer Qualität. Da würde auch ein HD Format nichts dran ändern. Im Gegenteil, das weitere HD Frequenzspektrum könnte die Klanghärte und Rauigkeit der Aufnahme noch deutlicher machen, Verzerrungskomponenten hätten mehr Raum um sich breit zu machen. Und von der Dynamik her nutzt selbst die SD-Version nur einen Bruchteil des verfügbaren Dynamikumfangs von 96dB (CD / 16Bit). Da sind 24 Bit pure Nutzlosigkeit.
Bild 4: Adele 25, Der Titel „Hello“ zeigt Adeles Kreativität in einem poetischen und abwechslungsreichen Lied. Das Mastering macht daraus ein brüllendes Monster, die Stimme ist verzerrt, die Dynamik an den intensiven Stellen des Liedes bis zum Anschlag komprimiert. Schade! (Grösser = auf Bild klicken)
Bild 5: Paul Simon, Album Graceland, Titel „Diamonds on the Soles of Her Shoes”. (siehe Besprechung im Blog High Res Audio: Dichtung und Wahrheit Teil 2). Die grüne Kurve zeigt den Signalverlauf (Hüllkurve) der CD von 1986 und die rote Kurve das Remaster von 2012 (25th Anniversary Edition). Man sieht deutlich wie durch Pegelanhebung der leisen Signalteile und Limitierung der lauten Anteile die Kurvenform beim Remaster völlig deformiert wurde. Das sind die Folgen der Dynamikkompression. (Die grüne Kurve wurden zu besseren Vergleichbarkeit in der vertikalen Achse im Verhältnis zur roten Kurve grösser dargestellt. Wichtig in diesem Bild ist der Kurvenverlauf) (Grösser = auf Bild klicken).
b) Produktionsmethode. Die 11 Titel des Albums wurden in 10 verschiedenen Studios in Europa und den USA aufgenommen von ebenso vielen Toningenieuren. Gemixt wurde in drei unterschiedlichen Studios in Amerika und das Mastering wurde in den Sterling Sound Studios in New York gemacht. Wie lässt sich so ein kohärentes Klangbild erzeugen? Das Mastering Studio hat die Aufgabe aus den einzelnen Einspielungen und Takes ein in sich stimmiges Album zu erzeugen. Da wird erst mal kräftig eingedampft und manipuliert was die Technik hergibt – und die kann heute eine Fülle von Werkzeugen bieten. Es mag dann kaum erstaunen, wenn ein Aufnahmeteam nicht das allerletzte Quäntchen an Klangqualität sucht, da ja im Mastering sowieso noch vieles verändert und geformt werden kann und muss.
David Gilmour – Rattle That Lock
David Gilmour Gitarrist, Sänger und Songwriter, bekanntes Mitglied der britischen Rockgruppe Pink Floyd, hat sein neustes Album „Rattle That Lock“ am 18.9.2015 veröffentlicht. Es ist als CD und HD Download sowie als Vinyl LP erhältlich. Hier die Analyse von zwei Titel der 24/96 HD Version.
Bild 6: Gilmour Rattle That Lock. Für ein Pop Album hervorragende DR Werte – DR13 und DR11. Mit solchen Werten macht eine HD Version Sinn. (Grösser = auf Bild klicken)
Bild 7: Gilmour Rattle That Lock, Titel “A boat Lies Waiting”. DR 13. Der Frequenzgang ist bei 22kHz beschnitten. Auffallend ist der im mittleren Bereich des Tracks bei rund 18kHz limitierte Frequenzumfang. Gilmour hat für diesen Titel eine 18 Jahre alte Klaviersequenz verwendet (aufgenommen auf einem Mini-Disc Recorder). David Gilmour in einem Video über dieses emotionell starke Musikstück: Link: Video auf YouTube (Grösser = auf Bild klicken)
Bild 8: Gilmour Rattle That Lock, Titel “Rattle That Lock”. DR11. Die höhere Energiedichte fällt auf. Der Frequenzbereich geht bis 35kHz, ‑102dB. (Grösser = auf Bild klicken)
Im Pop Bereich wird nicht – wie im Beispiel Klassik – ein Ereignis aufgezeichnet und im Hörraum zu Hause reproduziert. Bei Pop (und seinen Untergenres) entsteht das Klangereignis erst bei der Wiedergabe im Hörraum. Es ist in der integralen Form vorher inexistent. Das ist ein Aspekt dem sich eine Pop Band auch vor einem Live Konzert stellen muss. Oft müssen die Musiktitel für die Live Performance neu arrangiert werden, da sie in der Albumform live nicht spielbar sind.
Fazit: Diese beiden Beispiele sind exemplarisch für die unterschiedlichen Produktionsmethoden und klangästhetischen Ansätze im Klassik und Pop Bereich. Das Wissen über diese fundamentalen Unterschiede im Produktionsablauf ist zentral für die Einschätzung ob ein Album wirklich HD Kriterien erfüllt oder nicht. Ebenso hat dieser Produktionsaspekt Einfluss auf die Zusammenstellung der Audiokette im Wiedergaberaum.
Jazz Produktionen pendeln zwischen den beiden Extremen, sind aber meistens näher beim Klassik-Ansatz.
Echt HD oder echt umgepackt?
Wie lässt sich nun feststellen, ob das Investment in eine HD-Aufnahme gerechtfertigt ist? Sei es als Mehrpreis gegenüber der ebenfalls verfügbaren SD Variante (CD) oder als Neukauf eines Albums, welches man schon als CD oder LP hat. Hier einige Kriterien zur Beurteilung:
a) Provenienz: Die Herkunft und das Entstehungsjahr der Originalaufnahme sind ein wichtiges Indiz, ob es sich um eine native HD-Aufnahme handelt. Mit der Einführung der SACD um 2000 stand erstmals ein Speichermedium für eine höhere Auflösung als der Red Book CD Standard zur Verfügung. Und mit der Sonoma Workstation das Produktionsmittel dazu.
Grob können wir drei Phasen herleiten:
I) Analoge Periode vor 1983
II) CD Periode ab 1983 bis heute
III) HD Periode ab 2000
Es ist klar, das sind grobe Unterscheidungsmerkmale. Schon vor 1983 gab es digitale Aufzeichnungsgeräte (z.B. Sony PCM F1), welche die Informationen auf Videoband speicherten. Und auch heute ist es noch möglich – und es wird auch gemacht – mit analogen Aufzeichnungsgeräten zu arbeiten. Doch dies sind Ausnahmen von der Regel.
Kategorie |
Merkmale |
Provenienz / Zeitraum |
Echte, native HD Aufnahmen |
Durchgängig mindestens im 88.2/96kHz – 24 Bit Format aufgenommen und produziert |
Neue Aufnahmen, ab ca. 2000, dominant PCM 24/96, auch DSD |
HD-Minus |
a) Aufnahmen im HD-Format mit analoger Nachbearbeitungb) Analoge Aufnahme und Mischung, Zwischenspeicherung auf Tape, digitalisiert ab Stufe Mastering |
Neue Aufnahmen, die ein „Vintage-Klangbild“ aus der rein analogen Epoche anstreben |
Subkategorien (erfüllen die strengen HD Kriterien nicht): |
||
HD-Transfer |
Minimale Nachbearbeitung in einem HD-Format |
Analoge Tape-Aufnahmen oder Aufnahmen im 16/44.1 Format |
HD-Remaster |
Analoge Aufnahme und Mischung, Speichermedium Tonband. Intensive Nachbearbeitung (Remaster) im HD-Format |
Aufnahmen deutlich vor 1983, aus einem rein analogen Umfeld. Werden oft als Studio-Master angepriesen |
HD-Bluff |
Aufnahmen im 16/44.1 Format werden in einem HD-Container (24/96) distribuiert, ohne Nachbearbeitung |
Meist CD-Einspielungen ab 1983 |
b) Genre: Bei Klassik wird seit längerem mit hochauflösenden HD Formaten gearbeitet. Hier finden sich viele native HD Einspielungen. Auch hier gilt Aufnahmen nach 2000 können durchgängig im HD Format produziert sein. Ältere Aufnahmen gehören in die Kategorie HD-Transfer.
Auf Grund der anders gearteten Produktionstechnik im Pop Bereich arbeiten noch heute viele Studios mit analogen Geräten und älterer Studiotechnik. Man trifft Zwischenformate wie 24/48 an. Es erstaunt daher kaum, dass vor allem ältere, aus der rein analogen Epoche stammende Aufnahmen von Top Künstlern als HD Transfer oder HD Remaster nochmals veröffentlicht werden. Hier liest man dann die Werbebotschaft „ so wie es der Künstler im Studio gehört hat“.
c) Informationen der Downloadportale: Hier gilt es zu unterscheiden zwischen der Angabe des Containerformates (z.B. 24/96) und des Aufnahmeformates (z.B. 24/88.2) Das Containerformat definiert die Auflösung, das Gefäss indem der Inhalt geliefert wird. Ein Gefäss kann zu gross, zu klein oder passend für den zu transportierenden Inhalt sein. Uns interessiert die Auflösung der Aufnahme. Portale wie eClassical oder Channel Classic liefern detaillierte Informationen zur Aufnahmetechnik. Informationen finden sich auch in den Album Booklets, die bei einigen Anbietern vor dem Download einsehbar sind. Bei Qobuz hat man erst nach dem Download Zugriff auf das Booklet.
Heute eher selten, aber zu Beginn der CD Epoche fand man verbreitet ein Buchstabentrio als Kennzeichnung des Produktionsprozesses: AAD, ADD, DDD. Sie erinnern sich. Aus heutiger Sicht wäre das zu wenig aussagekräftig, aber immerhin lassen sich HD-Transfers von analogen Quellen erkennen.
Bild 9: Vorbildlich – das Schwedische Label BIS bietet unter www.eclassical.com hervorragende Klassik Aufnahmen an. Vor dem Download kann man im Booklet blättern. Auf der hintersten Seite stehen ausführliche Information zur Aufnahmetechnik und dem nativen Aufnahmeformat. (Grösser = auf Bild klicken)
d) Hörprobe: Vor dem Download sollte in jedes Album reingehört werden – egal ob SD oder HD. Nur, in der Regel stehen die 30 bis 60 Sekunden Ausschnitte nur datenreduziert im MP3 Format zur Verfügung. Bei 320kBs lässt sich die effektive Endqualität nicht erfassen, aber dennoch hört man einiges raus. 320kBs ist recht nah an der CD Qualität. Tonalität, Rauminformationen, Pegeldifferenzen und natürlich die Interpretation lassen sich einigermassen aussagekräftig beurteilen. Mit einem guten Kopfhörer sind auch Phasenfehler auf Grund fehlender Laufzeitkompensation hörbar.
e) Label: Vor allem die kleineren Labels stehen oftmals für konstante und hohe Qualität (z.B. BIS, Channel Classics, Stockfisch, ECM…). Kennt man ein Label aus Erfahrung, ist eventuell sogar das gleiche Aufnahmeteam oder Studio mehrheitlich mit der Produktion betraut, darf man durchaus einen Blindflug wagen. Andererseits, weiss man mit der Zeit wo Vorsicht geboten ist.
f) Informationen aus weiteren Quellen: Albumrezensionen in Fachzeitschriften können ebenfalls wertvolle Informationen über ein Album oder Neuveröffentlichungen liefern. Allerdings nicht in Bezug auf den Entscheid ob die HD Version lohnenswert ist. Die Website Dynamic Range Database http://dr.loudness-war.info/ stellt eine Liste mit über 88‘000 Alben zu Verfügung mit Angaben über den Dynamikumfang eines Albums.
Das Thema HD Audio wird auch in Zukunft spannend bleiben. Durch den Wegfall eines starren Duos von physischem Tonträger und passenden Abspielgerät können sich eine Vielzahl unterschiedlicher Formate am Markt tummeln. Nicht alles was machbar ist und angeboten wird ist sinnvoll. Wir bleiben dran.